Myanmar


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Bagan

Morgens halb 6. Es ist noch dunkel draußen und ein klappriger alter Bus schüttelt uns durch die staubigen Straßen von Bagan. Mit uns im Bus sitzen noch ca. 20 weitere Reisende, doch wir sind weit und breit die einzigen Backpacker und senken damit den Altersdurchschnitt um gute 20 Jahre. Unser heutiges Abenteuer ist nichts für Low-Budget-Traveller. Auch wir haben es uns 5 mal überlegt, den Flug mit dem Heißluftballon über den Tempeln von Bagan zu buchen, der mit über $300 (!!) pro Person nun wirklich kein Schnäppchen ist. Aber wann hat man schon noch einmal die Gelegenheit? Eben. Auf geht’s!
Der Australier Shaun, unser Pilot, stellte sich vor und es gibt Tee, Kaffee und Briefings. Die Ballons werden aufgeblasen. Einsteigen. Feuer. Und wir heben ab! Der Flug selbst ist super ruhig. Hier oben weht kein Wind, da der Ballon sich schließlich mit dem Wind bewegt. Und Turbulenzen gibt es auch keine. Nur das Klicken unserer Kameras ist zu hören und hin und wieder das angenehme Rauschen der Gasbrenner über uns. Zwischendurch erklärte Shaun uns etwas zu den Tempeln oder zum Ballon selbst. „Steering the balloon is really easy… you can’t!“

Und so trägt der Wind uns weiter durch die Luft. Die Sonne geht auf. Tempel. Schön! Doch gleich ist Schluss mit der Ruhe. Shaun warnte uns bereits, dass es manchmal etwas holprig werden könne, wenn wir landen. Beim Briefing vor dem Start mussten wir die Landing Position üben. Hinsetzen, mit den Händen am Korb festhalten und den Kopf an die Rückwand pressen. Und dann setzen wir auch schon zum Landeanflug an. „Landing Position, Guys!“ hören wir Shaun rufen. Alles klar. Los geht’s. Festhalten. Kopf nach hinten! Die Wand des Korbes ist gerade so hoch, dass wir aus sitzender Position nicht darüber hinaus gucken können. Nur seitlich kann man durch die Schlitze des Korbes zumindest die Höhe ungefähr einschätzen. „Es sind bestimmt noch 10-15m bis zum Boden.“, sage ich zu Ulli. Plötzlich ruft Shaun „Heads down! Heads down!“ Und wir fragen uns „Was sollen wir? Von Kopf-runter hat er nie was erzählt. Ich dachte wir müs…“ RUMMS!! Das war ein Baum! Wir haben gerade tatsächlich einen Baum gerammt! Überall rieseln Äste und Blätter auf uns herab. Wenige Sekunden später kommt dann auch schon der Boden. Den wir noch deutlicher zu spüren bekommen. BAMM!! Wir schlagen ziemlich heftig auf, aber das war’s noch nicht. Der Ballon zieht uns noch eine Weile mit und schleift uns über den Boden. Sofort kommen 10 Burmesen angerannt, klammern sich an unseren Korb und versuchen uns zu stoppen. Nach ein paar Metern kommen wir endlich zum Stillstand. Wir atmen durch. Shaun entschuldigt sich für die etwas ruppige Landung und erklärt, er hatte leider keine andere Wahl als uns schnellst möglich runterzubringen, und zeigt auf die massive Backstein Mauer, die sich nur wenige Meter vor uns erhebt! „You don’t want to crash into a brickwall!“ Nein, wollen wir nicht. Wir applaudieren! Danke, Shaun!
Für ihn war diese Landung nichts Besonderes. Oftmals kippt der Korb sogar komplett um währenddessen, erzählt er, aber das sagt einem natürlich vorher niemand!
Bei einem Glas Champagner (jetzt weiß ich auch wohin die $300 p.P. geflossen sind…) plaudern wir noch ein wenig mit ihm. Es dauert 3 Jahre, um einen Ballon dieser Größe fliegen zu dürfen. Gelernt hat er das auf der Balloon School in Australien und wenn die Saison in Myanmar vorbei ist, geht es für ihn weiter nach Chile, dann Australien, dann wieder Myanmar. Und das seit 27 Jahren. Was ein Abenteuer!

Zurück zum Hotel. Frühstück. Nickerchen. E-Roller. E-Roller sind hier das Must-have für alle, die die Tempel von Bagan vom Boden aus erkunden wollen. Führerschein, Versicherung, TÜV und Helm? Ach, wer braucht das schon… Moment, den Helm hätten wir dann doch ganz gerne. Danke. Für 3€ haben wir die Kiste den ganzen Tag. Oder halt eben so lange wie die Batterie hält. In unserem Hostel lernten wir noch Frank kennen. Er ist Holländer und Elektro Ingenieur. Bagan ist eigentlich gar keine richtige Stadt. Eher ein paar Hütten, zwei geteerte Straßen und eine riesige Fläche voller Wald, Tempel und Staub. Und genau das macht das Ganze zum Erlebnis. Wir erkunden das Gebiet und klettern auf die Tempel auf der Suche nach einem schönen Ort für den Sonnenuntergang. Das ist alles, worum es hier geht. Sonnenauf und -untergänge. Deshalb sind alle hier. Und deshalb ist zu diesen Zeiten auch alles voll mit Touristen. Die echten Freaks tummeln sich schon morgens um 4 auf den Tempeln, um sich einen Platz in der ersten Reihe mit ihrem Handtuch bzw. Kamerastativ zu reservieren als wäre es die Liege am Hotel Pool. Zum Glück gibt es hier tausende Tempel. Man muss sich also nicht an den Hotspots aufhalten. Schon vor einer halben Stunde bemerkte ich die Spannungsschwankungen meines E-Rollers beim Beschleunigen. „Ich glaub das ist normal!“, meinte Haoi zu mir. So langsam steht die Sonne schon ziemlich tief und wir haben unseren Favoriten auch schon gefunden. 5 Minuten Fahrt und wir sind da. Schlagloch. Motor aus. Alles aus. Und das kurz vor dem Ziel. Zum Glück haben wir unseren Elektro Ingenieur dabei! Frank baut meinen Elektro Esel auseinander und findet den Fehler. Ein Kabel hat sich durch die Erschütterung gelöst. „Das war sicher von Anfang an schlampig verdrahtet. Hast du denn keine Spannungsschwankungen bemerkt?“ Ich sage nichts dazu. „Hat denn keiner einen Schraubenzieher dabei?“ Nein. Aber Aufkleber. Nothingbutfootprints Aufkleber! Im Handumdrehen klebt Frank damit die Kabel zusammen und die Kiste ist wieder fahrbereit. Frank ist stolz. Wir auch. Sonnenuntergang. Fotos. Schön! Auf dem Heimweg ist Frank dann der Saft ausgegangen. Batterie leer. „Ich halt mich einfach an deiner Schulter fest! So machen wir das in Holland!“
Für die beiden schrottreifen E-Roller handelt Frank uns einen saftigen Rabatt für den nächsten morgen aus, denn morgen müssen wir auch wieder früh raus und zu den Tempeln. Denn: Sonnenaufgang! Frank ist am nächsten Morgen nicht dabei. Er reist ab. Aber das macht nichts. Wir haben bisher auf keiner Reise so viele Leute kennengelernt wie in Myanmar. Da sich das Land touristisch gesehen gerade erst im Aufschwung befindet und alle Blogs und Reiseführer im Vorfeld den Eindruck vermitteln es sei hier super schwer zu reisen, freuten wir uns umso mehr als wir feststellten, dass mittlerweile doch eine gute Infrastruktur an Langstrecken Bussen vorhanden ist und es auch möglich ist spontan einen Schlafplatz zu finden, ohne Reservierung.

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Reise-Tipps

Auch für uns war es nicht ganz einfach im Vorfeld verlässliche Informationen zu bestimmten Themen zu bekommen. Wir nutzen hier mal die Gelegenheit, um ein wenig Licht ins Dunkle zu bringen:

Visum

Vor Myanmar waren wir noch in Israel und in Indien. Jeweils im Abstand von 3 Wochen. Also habe ich mit dem zuständigen Berliner Visums Büro telefoniert, um in Erfahrung zu bringen, wie lange die Bearbeitungsdauer des Myanmar Visums beträgt. Das Gespräch verlief exakt so: „4 Wochen.“ – „Aber ich habe nur jeweils 3 Wochen.“ – „Dann fliegen Sie nicht nach Myanmar!“. Nach diesem Telefonat war meine Laune nicht gerade gut. Zum Glück fand Ulli im Internet heraus, dass es mittlerweile ein eVISA gibt. Das kostet zwar das Doppelte, aber dauert genau 2 Tage. Meine Laune war gerettet. Vor Ort gibt es auch einen „VISA on Arrival“ Schalter, aber das bekommen wohl nur südostasiatische Bürger.

Hostels

Bis vor Kurzem gab es keine Hostels in Myanmar. Alle Hostels, in denen wir geschlafen haben, existieren erst seit einem knappen Jahr. Das Schlafen bei Einheimischen als Tourist ist offiziell verboten, deshalb gibt es hier auch so wenig AirBnB Angebote wie sonst kaum irgendwo auf der Welt. Es gibt meistens in jeder „wichtigen“ Stadt genau ein Hostel. Das erleichtert einem zum einen die Entscheidung bei der Unterkunftssuche enorm und erklärt zum anderen auch, wieso man auf seiner Reise überall immer wieder dieselben Leute trifft.

ATMs

Als wir in Yangon am Flughafen ankamen, waren wir doch sehr überrascht. Es gab einige ATMs, Wechselstuben und sogar eine Europcar Mietstation. Ein Internationaler Flughafen eben. Die ATMs haben wir selbst nie benutzt. Sie sind auf jeden Fall vorhanden, jedoch haben wir von anderen Reisenden gehört, dass sie oft leer sind oder nicht funktionieren. Daher lieber Bargeld mitbringen und vor Ort tauschen. Das Geldtauschen vor Ort ist notwendig und macht auch Sinn. Erstens bekommt man die lokale Währung Kyat (gesprochen „Tschat“) nur in Myanmar und wird sie auch nirgendwo anders als hier wieder los und zweitens ist der Kurs immer besser, wenn man in Kyat bezahlt als in US Dollar zum Beispiel.

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Yangon

Unsere Myanmar Reise startet in Yangon. Im Hostel angekommen treffen wir direkt Ullis Modezwilling. Bei der Geburt getrennt. Annika ist ein paar Zentimeter größer, aber ansonsten die gleiche Frisur, die gleichen Rucksäcke, Schuhe und Klamotten. Echt verblüffend. So verblüffend, dass Annika uns direkt anspricht. Ich bin mir nicht sicher, ob das gut geht oder die beiden gleich ihre Krallen ausfahren. Doch weit gefehlt. Zum Glück. Die beiden tauschen Handy-Nummern aus und wir verabreden uns für den morgigen Abend.

Als wir uns am nächsten Tag in der Lobby treffen, tragen die beiden zufälligerweise das gleiche schwarze Kleid. Natürlich! Wir verbringen einen wunderschönen Abend in Chinatown mit viel Bier und BBQ und finden heraus, dass Ulli und Annika sogar im gleichen Jahr in Australien unterwegs waren. Verrückt! Als Nachtisch gibt es dann noch einen kleinen Snack. Heuschrecken! Lange kam ich drum herum, aber heute ist es soweit. Haoi und ich entdecken einen Straßenstand und jeder von uns verputzt eines der Insekten. Mutprobe. Zack. Weg das Teil! Denke ich. Und schon sehe ich wie Haoi der alten Dame eine ganze Tüte abkauft „die essen wir jetzt zusammen!“.

Annika reist morgen weiter nach Singapur und wird noch weitere 3 Monate unterwegs sein. Für uns geht es weiter an den Inle Lake. Wie wir dort hinkommen, war uns lange nicht klar. Ich hörte von einem Bekannten, dass die Zugstrecke dorthin wohl eine der schönsten sei. Und ein bisschen Zug fahren mit den Einheimischen ist doch auch eine schöne Erfahrung, denke ich mir. Im Internet erfahren wir allerdings, dass die Fahrt 32 Stunden dauert. Wir überlegen kurz… und buchen einen Flug! Mit einem kleinen Kater im Gepäck fahren wir am nächsten Morgen zum Flughafen.

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Inle Lake

Am Inle See schlafen wir in einem riesigen Ghetto Blaster: Song of Travel. Die musikalische Fassade dieses Hauses fällt so sehr auf, dass man meinen könnte das Hostel müsste sich mit allen Mitteln von Konkurrenz abheben. Doch auch hier gibt es keine Alternative. Und so leihen wir tagsüber Fahrräder aus und führen Nächte lang tiefgreifende Gespräche mit einem jungen Milchbauern aus Lübeck, einer Israeli über das Leben der orthodoxen Juden und einem Indien-Reisenden über Zwangsheirat.
Die einheimischen Menschen am Inle See leben genau genommen nicht am See, sondern auf dem See. Hier ist die Welt noch in Ordnung. Alle sind so freundlich und freuen sich über ein Lächeln. Besonders die Kinder. Heute machen wir eine Bootstour auf dem See. Wir fahren mit dem Boot durch schwimmende Dörfer, essen gemeinsam Frühstück auf dem Wasser bei Sonnenaufgang, gehen zum Markt, besuchen eine Seidenweberei, einen Messerschmied, eine Pagode und sind zum Mittagessen bei einer Familie zuhause eingeladen. Auf dem Weg dorthin paddeln wir in einem alten Kanu durch eines der Dörfer und rollen mit den Einheimischen Zigarren selbst. Und der gesamte Tag kostet uns nur knapp 12€! In anderen Ländern kostet jede dieser Aktivitäten alleine wohl über 12€.
Man muss dazu sagen, das Myanmar erst seit ein paar Jahren für den Tourismus zugänglich ist und gerade auf dem Land und rund um den See alles sehr günstig ist. Das Land befindet sich gerade an einem kritischen Wendepunkt. Die Regierung ist sehr unerfahren, was den Tourismus angeht, und niemand weiß, in welche Richtung das ganze in Zukunft gehen wird. Es ist zum Beispiel extrem schwierig Genehmigungen für Touristen Unterkünfte oder ähnliches zu bekommen, sodass zum Teil ganze Hotelanlagen an traumhaften Stränden einfach verfallen, weil sie ohne Genehmigung gebaut wurden und noch vor der Eröffnung schließen mussten. Das ist zum einen schade, weil es das Reisen zu vielen abgelegenen Gegenden erschwert, aber zum anderen beschützt es auch das, was wir so lieben: die unberührte Natur!

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Dawei

Und davon gibt es in Dawei reichlich! Am Flughafen in Dawei wartet bereits unser Fahrer. Wir fahren entlang der Halbinsel durch niedliche Dörfer vorbei an Palmen und Reisfeldern bis wir schließlich nach 2 Stunden am Straßenrand anhalten. Endstation. Zumindest kommen wir mit dem Auto nicht näher ran. 3 Einheimische auf Motorrädern warten bereits auf uns, nehmen unsere Rucksäcke zwischen die Beine, wir springen hinten auf und los geht’s. Wir fahren mitten durch den Urwald über Stock und Stein auf einem schmalen Trampelpfad, der gerade breit genug ist solange kein Gegenverkehr kommt. Nach ca. 15 Minuten Fahrt kommen wir am Paradise Beach an. Einem Strand, der seinen Namen wirklich verdient! Er ist einen Kilometer lang, hat die Form eines Halbmondes und ist eingerahmt von Palmen und 250m hohen Hügeln. Hier gibt es weder Handy-Empfang noch Internet. Hier her verirren sich nur die wenigsten. Laufkundschaft gibt es keine. Die Paradise Beach Bungalows stehen auch in keinem Lonely Planet! Das ist genau das, wonach wir gesucht haben! Abends sitzen wir mit Auswanderern, Abenteurern und Langzeitreisenden an einem Tisch und es gibt Bier, Fisch und ein Feuer am Strand. Traumhaft!

Das Leben „off the beaten track“ hat leider auch einen kleinen Nachteil. Zumindest für Kleintier-Phobiker wie Ulli und mich. Um die Bungalows herum wimmelt es gerade zu von Handflächen großen Spinnen in allen Farben und sogar einer Schlange! Aber hier ist man natürlich auf alles vorbereitet. „Der Gärtner wird sich darum kümmern“, werden wir vertröstet. Und bis dahin bekommt Ulli einen großen Bambus Stock in die Hand gedrückt. Mit diesem Snake-Prevention-Stick klopft Ulli ab jetzt immer fleißig die Wege ab!

Schon am nächsten Morgen haben wir den Schreck der Hinfahrt überwunden und leihen uns Roller aus. Zusammen mit Nicolas, einem Franzosen, Chris, einem Schotten, und zwei Bonner Mädels erkunden wir die Strände der Dawei Halbinsel. Der „Grandfather Beach“ hat es uns besonders angetan. Ein Strand, sogar noch größer als der Paradise Beach und noch einsamer. Keine Menschenseele und kein Haus weit und breit. Ein Strand, so groß, dass wir uns fragen, wie wir uns hier überhaupt fortbewegen sollen. Der Franzose und ich sind gerade dabei unsere Roller abzustellen aus Ehrfurcht vor der Unberührtheit des Strandes, da fährt auch schon Chris an uns vorbei und brettert direkt über den Sandstrand. Wir folgen ihm. Und fühlen uns schuldig. Und doch können wir uns ein Grinsen nicht verkneifen. „It’s soo bad. But it’s soo gooood!!!“, ruft Nicolas und gibt Gas. Ich muss lachen!

Und so verbringen wir den restlichen Tag damit uns vorzustellen, was wohl passiert, wenn die Welt von diesem wundervollen Ort erfährt. Und wie es hier in 10 Jahren aussehen könnte, wenn der Massentourismus Einzug hält und sich diese idyllische Natur in ein zweites Thailand verwandelt.

Aber bis es soweit ist genießen wir hier noch die Stille.

„It’s soo good!“